1916 Die BASF beginnt im Mai auf
Drängen des Kriegsministeriums mit dem Bau eines Ammoniakwerkes zur
Gewinnung von Salpeter bzw. Salpetersäure auf dem Gelände zwischen Merseburg
und Spergau, um die Sprengstoffversorgung für die Fortführung des ersten
Weltkrieges und die Düngemittelversorgung der Landwirtschaft abzusichern.
1917 Nach nur elf Monaten Bauzeit
wird im "Ammoniakwerk Merseburg" (später Leuna-Werke) der erste
Ammoniaksyntheseofen angefahren. Am 29. April 1917 verließen die ersten
Kesselwagen mit wässriger Ammoniaklösung das Werk. Die ersten
Nachverarbeitungsanlagen zur Produktion von Ammoniumsulfatdünger wurden
errichtet.
1918
Durch die
immer härter werdenden Materialschlachten sieht sich die oberste
Heeresleitung gezwungen, die Produktionskapazität an Ammoniak zu erweitern.
Das Reichsschatzamt und die BASF unterzeichnen einen Vertrag zum weiteren
Ausbau des Werkes auf 250.000 t Ammoniak pro Jahr.
1919 Nach dem ersten Weltkrieg
fordern die Alliierten die Demontage der Leunaer Ammoniaksyntheseanlagen,
deren Aufbau erst durch den Krieg ausgelöst worden war. Carl Bosch
verhindert die Zerstörung der Anlagen, in dem er die französische Seite
davon überzeugt, dass die Ammoniakfabriken Deutschlands für die
Düngemittelproduktion und damit die Ernährung von eminenter Bedeutung sind.
Ein rauchender Schornstein und eine ihn kreuzende Getreideähre werden zum
Firmenlogo der Leuna-Werke.
1921 Die Forderungen nach höheren
Löhnen, geregelter Arbeitszeit, Beseitigung der Überstunden und
Sonntagsarbeit, Einführung und Anerkennung von Betriebsräten, einheitliche
Versorgung und korrekte Behandlung durch Vorgesetzte führt schon seit 1917
zu mehreren Streiks. Der Generalstreik vom 23.März bis 19. April führte zur
Besetzung des Werkes durch bewaffnete Arbeiter und zu den Märzkämpfen.
1922 Die wichtigsten Forschungs- und
Versuchsbetriebe der BASF werden von Ludwigshafen nach Leuna verlagert. Die
Arbeiten konzentrieren sich auf weitere Anwendungen katalytischer
Hochdruckverfahren.
1923
Die von
Alwin Mittasch und Christian Schneider in Ludwigshafen entwickelte zweite
große technische Hochdrucksynthese, die Synthese von Methanol aus
Kohlenmonoxid und Wasserstoff, wird unter Leitung von Matthias Pier
realisiert. Mit dieser Synthese ist Leuna zu dieser Zeit das einzige Werk in
der Welt, das Methylalkohol auf synthetischem Wege herstellen kann.
1925 Mit der Gründung des Konzerns
"IG Farbenindustrie AG" wird Carl Bosch Vorstandsvorsitzender dieses
gewaltigen Unternehmens und trägt mit seinen Entscheidungen wesentlich zur
weiteren Entwicklung Leunas bei.
Matthias Pier entwickelt im selben Jahr das
erstmals 1913 von Friedrich Bergius durchgeführte Verfahren zur
Kohlehydrierung unter Verwendung von Katalysatoren weiter.
1926 Auf der Basis der vorliegenden
Kenntnisse aus Laborversuchsergebnissen wird die Entscheidung zum Bau einer
Großversuchsanlage mit einer Kapazität von 100.000 Tonnen Benzin pro Jahr
getroffen. Das ist mit ausschlaggebend für die Entwicklung der
Winklergeneratoren, die als Herzstück der Wasserstofferzeugung für die
Hydrierverfahren in Leuna eine große Rolle spielen.
1927 Inbetriebnahme der ersten
zweistufigen Braunkohlehydrierungsanlage, mit der angestrebt wurde, aus der
heimischen Braunkohle aber auch aus Teer und schweren Erdölfraktionen
mittels Wasserstoff unter Druck Benzin, Leichtöl und Schmieröl zu erzeugen.
1929 Mit dem Börsenkrach an der New
Yorker Wallstreet stürzt die Welt in eine wirtschaftliche und finanzielle
Krise größten Ausmaßes, die vor allem in den führenden Industrieländern
dramatische Auswirkungen hat. Die Ammoniakproduktion geht auf ca. 30 %
zurück, 66 % aller Mitarbeiter am Standort müssen entlassen werden.
1933 Die Autarkiebestrebungen der
Nationalsozialisten führen zum Abschluss des so genannten "Benzinvertrages"
zwischen dem Deutschen Reich und dem Ammonikwerk Merseburg. Der Vertrag
ermöglicht den grosstechnischen Ausbau der Hochdruckkohlehydrierung, um den
wachsenden Kraftstoffbedarf für zivile und militärische Zwecke abzudecken.
1934 Der Schwerpunkt der
Werksentwicklung liegt auf der Erzeugung von Sonderkraftstoffen und Ölen.
Die Hydrierkapazitäten werden ständig erweitert und in ihrer
Leistungsfähigkeit gesteigert.
1936 Die
Benzinabstreiferdestillation nimmt die Produktion von Flugzeugbenzin auf.
Wegen des zunehmenden Bedarfs der neuen Produktionsanlagen an Elektroenergie
wird mit der Montage von Hochdruckkesseln begonnen.
1937
Inbetriebnahme der Iso-Octananlage zur Erzeugung klopffester Treibstoffe.
Das Leuna-Werk wird auf der Weltausstellung in Paris für die
chemischtechnischen Leistungen auf dem Gebiet der Hochdruckverfahren mit dem
Grand Prix ausgezeichnet.
1939 Ausbau der Anlagen zur
Salpeterdüngemittelherstellung mit dem Ziel einer Steigerung von 50 t N pro
Tag. Eine Anlage zur Produktion von Adipinsäure wird in Betrieb genommen.
Die kriegswirtschaftlichen Anforderungen bestimmen immer stärker die
Produktion.
1941 Inbetriebnahme einer neuen
Großanlage zu Herstellung von Flugzeugbenzin durch Dehydrierung von Isobutan.
Errichtung einer Großanlage zur Produktion von Caprolactam.
1943 Einführung des AT-Verfahrens
zur Alkylierung von Isobutan mit n-Buten. Die DHD-Anlage (Reforming von
Benzin an Molybdän-Katalysatoren) wird in Betrieb genommen. Die Herstellung
von Düngemitteln ist stark rückläufig, da durch den rasch ansteigenden
Sprengstoffverbrauch immer mehr Ammoniak zu Salpetersäure verarbeitet wird.
1944 Mitte Mai erfolgt der erste
schwere Luftangriff auf Leuna. Die Bau- und Reparaturleistungen zur
Wiederaufnahme der Produktion in den beschädigten Anlagen nehmen
ungewöhnliche Ausmaße an.
1945 Nach 22 Luftangriffen war das
Leuna-Werk zu Beginn des Jahres schwer zerstört und bot ein Bild der
Verwüstung. Nach dem letzten Luftangriff am 04.04.1945 kommt die Produktion
weitgehend zum Erliegen. Das Werk wird Mitte April von den amerikanischen
Truppen besetzt, die Anfang Juli von sowjetischen Truppen abgelöst werden.
Die Hydrierung nimmt die Produktion wieder auf.
1946 Große Teile des Werkes werden
ab Mitte März entsprechend den Bestimmungen des Potsdamer Abkommens
demontiert. 43 Fachleute aus allen Bereichen werden zu mehrjähriger Arbeit
in der Sowjetunion verpflichtet. Der Übergang in sowjetisches Eigentum als
Sowjetische Aktiengesellschaft (SAG) für Mineraldünger ab Juli hat die
Einstellung der Demontagen zur Folge. Der von der deutschen Werkleitung
ausgearbeitete Wiederaufbauplan wird unter extremen Schwierigkeiten in
Angriff genommen.
1947 In der Ammoniakfabrik gehen die
ersten Ofenkammern wieder in Betrieb, die Produktion von Mersol und Mersolat
wird aufgenommen und die Erzeugung von Isobutylöl und Methanol stabilisiert
sich.
1949 Eine Kammer zur Teerhydrierung
wird wieder in Betrieb genommen.
1951 Beginn des Übergangs von der
Kohlehydrierung zur Erdölverarbeitung. In der Hydrierung wird
österreichisches Rohöl (Matzen) eingesetzt.
1952 Die Teerverarbeitung wird
eingestellt, eine kleintechnische Anlage zum katalytischen Kracken nimmt den
Betrieb auf.
1954 Das LeunaWerk als größter und
wichtigster Chemiebetrieb wird zusammen mit 32 anderen SAG Betrieben an die
DDR übergeben.
1958 Auf der Chemiekonferenz am
3./4. November in Leuna wird ein Programm beschlossen, das die Verdoppelung
der Produktion der chemischen Industrie vorsieht. Neben dem Ausbau der
traditionellen Carbochemie zählt der petrolchemische Komplex (Leuna Werk II)
zu den wichtigsten Neubauvorhaben.
1959 Die letzte
Kohlehydrierungsanlage wird außer Betrieb genommen. Der Aufbau des
Anlagenkomplexes von Leuna II beginnt. Im Zeitraum bis 1971 entstehen zwei
Benzinspaltanlagen zur Ethylenerzeugung, Gastrennanlagen zur Isolierung von
Methan, Propylen, Olefinen und weiteren Produkten, die
Hochdruck-Polyethylenanlage, C
Anlagen zur Herstellung von Caprolactam aus Phenol und zur Verwertung von
Nebenprodukten.
1967 Im Zuge der Kombinatsbildung
wird das Leuna-Werk dem Minister für chemische Industrie direkt unterstellt.
Die Erdölpipeline Schwedt – Leuna wird in Betrieb genommen und bildet damit
die Basis für die Versorgung des petrolchemischen Komplexes mit dem
benötigten Erdöl.
1971 Größere Investitionsvorhaben
wie der Bau des Industriekraftwerkes Nord, der neuen Sauerstofffabrik, die
Rekonstruktion der Synthesegaserzeugung, der Erdölverarbeitung und die
Erweiterung der Mirathen-Produktion haben vor allem die Steigerung der
Produktion zum Ziel.
1973 Mit Fertigstellung der
Erdgasleitung, die außer den Leuna-Werken auch die VR Polen, die Ungarische
VR und die ČSSR mit sowjetischem Erdgas beliefert, wird nicht nur eine neue
Rohstoffquelle erschlossen sondern auch eine entscheidende Verbesserung der
Arbeits- und Umweltbedingungen erreicht. Die erste Hydrospaltkammer nimmt
den Dauerbetrieb auf.
1975 Inbetriebnahme der
Ethylen-Verbundleitung mit Böhlen und Erweiterung der Produktionskapazitäten
durch Realisierung wichtiger Investitionen im IKW-Nord, der
Erdgasniederdruckspaltanlage und der Mirathenerzeugung.
1977 Die neue Erdöldestillation (Grimma-Destillation)
und die Großversuchsanlage Salicylsäureabwasserreinigung wird in Betrieb
genommen.
1981 Inbetriebnahme der
DK-Raffination und Einführung des HCF-Verfahrens.
1982
Das
Produktionsprofil verändert sich zugunsten höher veredelter Erzeugnisse und
der Erhöhung des Anteils heller Produkte. Durch die Inbetriebnahme des
Reformers 3, des Visbreakers und der Abstreiferdestillation wird die
Erdölverarbeitung intensiviert.
1984 Der Vakuumseitenstripper zur
Gewinnung eines Rohstoffes für die Synthesegaserzeugung und eines
Visbreaker-Vakuumdestillates zum Hydrospalten wird in Betrieb genommen.
1985 Erweiterung des HCF-Verfahrens
durch eine Verfahrensstufe zum katalytischen Entparaffinieren mittels eines
Zeolithkatalysators.
1986 Inbetriebnahme eines neuen
Anlagenkomplexes zur Herstellung von Niederdruckmethanol aus Synthesegas als
Voraussetzung für eine heizölfreie Raffinerie.
1989 Der politische Umbruch im
Herbst des Jahres nimmt ein weiteres Mal entscheidenden Einfluss auf die
Situation der Leuna-Werke. Der abrupt vollzogene Übergang zur
Marktwirtschaft und der Zusammenbruch des DDR und Ostmarktes führt zu
erheblichen finanziellen Verlusten und ist der Startpunkt für einen rapiden
Beschäftigtenabbau.
1990 Wirtschaftliche und soziale
Aspekte geben den Ausschlag für den Erhalt des Standortes Leuna. Es stellt
sich jedoch schnell heraus, dass das in eine Kapitalgesellschaft
umgewandelte Kombinat nicht im Ganzen erhalten werden kann.
1991 Bis zum Ende des Jahres werden
im Auftrag der Treuhandanstalt durch renommierte Beraterfirmen die
Strukturen und Anlagen nach marktwirtschaftlichen und umweltrelevanten
Gesichtspunkten analysiert und bewertet. Es werden Privatisierungsstrategien
entwickelt, deren Grundidee eine Splittung des Unternehmens in
überlebensfähige Geschäftsfelder vorsieht. Die Linde AG übernimmt den
Bereich technische Gase.
1992 Der Vertrag zwischen der
Treuhandanstalt und dem Konsortium Societé Elf Aquitaine/Thyssen
Handelsunion über die Privatisierung der Leuna-Raffinerie wird
abgeschlossen. Die neue Tankwagenbefüllstation wird in Betrieb genommen.
1993 Die erste Privatisierung im
Chemiebereich auf dem Geschäftsfeld Amine und Dimethylformamid erfolgt durch
das belgische Unternehmen UCB. Es folgt die französische Atochem mit der
traditionellen Produktlinie Harnstoff, Formaldehyd und Leime und der
Absichtserklärung, in einem Joint Venture mit Air Liquide eine neue Anlage
zur Produktion von Wasserstoffperoxid zu bauen. Die WIG
Industrieinstandhaltung & Co. KG übernimmt die ehemalige zentrale Technik
der LEUNA WERKE AG.
1994
Die STEAG
AG beschließt den Bau eines neuen Erdgas-Kraftwerkes sowie einer Gas- und
Dampfturbinenanlage. Die Übernahme und Modernisierung der
Caprolactamproduktion durch die belgische DOMO Group stellt eine weitere
zukunftssichernde Entwicklung für Leuna dar. Die InfraLeuna GmbH als
Dienstleister und Servicepartner der Chemieproduzenten wird Ende des Jahres
rückwirkend zum 1. Januar gegründet
1995 Anfang des Jahres werden die
von der Treuhandanstalt eingeleiteten und weitgehend vorangeschrittenen
Privatisierungen der Geschäftsfelder Epoxydharze, Katalysatoren, Tenside und
der Forschung beendet. Im Mai findet die Grundsteinlegung für das größte
deutsch-französische Investitionsvorhaben, die neue Raffinerie, statt. Die
Rekonstruktion und Erweiterung der DK-Raffination wird abgeschlossen und
eine neue Raffinerieabwasserbehandlung (RAWA) in Betrieb genommen.
1996 Die neue Schwefelsäureanlage
und das STEAG-Kraftwerk gehen in Betrieb.
1997 Der Verkauf der
Produktionsanlagen für synthetische Wachse auf Ethenbasis an eine
mittelständische Unternehmensgruppe bildet den Abschluss der Privatisierung
im Chemiebereich der LEUNA WERKE AG. Nach zweieinhalbjähriger Bauzeit wird
im Herbst die modernste Raffinerie Europas durch die Mitteldeutsche
Erdöl-Raffinerie GmbH (MIDER) in Betrieb genommen.
2004
Die
Hauptproduktionslinien der LEUNA WERKE werden modernisiert und erweitert,
neue Geschäftsfelder haben die Produktion aufgenommen. Mehr als 9 Milliarden
DM Investitionen haben den Standort Leuna gesichert, an dem acht renommierte
französische, belgische, amerikanische und deutsche Unternehmen chemische
Erzeugnisse produzieren bzw. den Energiebedarf sichern. Der Standort
entwickelt sich zunehmend zu einem Chemiezentrum europäischen Formats, der
für die Anforderungen der nächsten Jahrzehnte gerüstet ist.
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